Bruce Springsteen spricht in Manchester Klartext: „In Amerika verfolgen sie Menschen …“

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Bruce Springsteen spricht in Manchester Klartext: „In Amerika verfolgen sie Menschen …“

Bruce Springsteen spricht in Manchester Klartext: „In Amerika verfolgen sie Menschen …“

Es waren pompöse Worte, Worte, die man gern mit Donnerhall vergleicht. „Die mächtige E-Street-Band ist heute Abend hier, um in gefährlichen Zeiten die gerechte Kraft der Kunst, der Musik und des Rock’n‘Roll zu beschwören“, kündigte US-Superstar Bruce Springsteen sein erstes diesjähriges Konzert an. Ein erster Satz, begleitet vom Jubel Zehntausender, nachdem Springsteen am Mittwoch, 14. Mai, um 19.40 Uhr, die Bühne der Co-op-live-Arena von Manchester betreten hatte. Und zunächst allein mit seiner Gitarre vor seinem Publikum stand.

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Die Silhouette von Mr. Liberty war in einer einsamen Sichel aus Licht zu sehen. Es war der Moment, in dem die Rock’n’Roll-Stimme Amerikas ihr Schweigen brach – am Starttag einer Konzertreise.

Und deutlicher konnte er seine Sorge um die amerikanische Demokratie nicht in Worte fassen. „In meiner Heimat, dem Amerika, das ich liebe, über das ich geschrieben habe und das seit 250 Jahren ein Leuchtfeuer der Hoffnung und Freiheit ist, befindet sich derzeit eine korrupte, inkompetente und verräterische Regierung an der Macht“, redete Springsteen Klartext.

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Und fuhr fort: „Heute Abend bitten wir alle, die an die Demokratie und das Beste unserer amerikanischen Erfahrung glauben, mit uns aufzustehen. Ihre Stimmen gegen den Autoritarismus zu erheben. Und die Freiheit erklingen zu lassen. Dies ist das Land der Hoffnung und der Träume.“ Wenn die „checks and balances“ versagten, so Springsteen, gebe es nur noch den „letzten Check von Leuten wie euch und mir“. Die Einheit von Menschen mit gemeinsamen Werten sei alles, was noch zwischen Demokratie und Autoritarismus stünde.

Es war eine so kraftvolle und emotionale Anti-Trump-Rede, wie man sie im Musikbusiness selbst von politisch wachen Köpfen wie Springsteen nie gehört hatte. Bis gerade noch schienen die Kritiker aus den Reihen der US-Popkultur von dem chaotischen Sturm gelähmt, mit dem die Trump’sche Abrissbirnen das große Amerika einrissen – unter dem widersinnigen Slogan, es wieder groß machen zu wollen.

De Niro spricht in Cannes von Faschisten, King postet Karikaturen

Dann kehrte vor Kurzem der Bestsellerautor und Horrorkönig Stephen King zu Elon Musks Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) zurück, postete Trump-kritische Statements und Karikaturen, und zog und zieht damit neuerlich Gehässigkeiten, Häme und Hass auf sich, als verleihe ihm die Negativität der retweetenden Trumpianer Lebenskraft.

Und Robert De Niro, der vielleicht emsigste und schärfste Trump-Gegner in Hollywood, hielt in Frankreich gerade erst seine eigene Philippika auf Trump, als er zur Eröffnung der 78. Filmfestspiele von Cannes mit der Goldenen Ehrenpalme für sein Lebenswerk gekürt wurde. Damit brach er das Schockschweigen, das seit Trumps Amtsantritt auch bei Hollywood-Größen geherrscht hatte.

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Robert De Niro, Schauspieler, beim 78. Filmfestival von Cannes

Der Präsident, der angekündigt hat, künftig Zölle auf im Ausland gedrehte US-Filme erheben zu wollen, wurde von De Niro als „Banause“ bezeichnet. „In meinem Land kämpfen wir mit aller Macht um die Demokratie, die wir einst für selbstverständlich hielten“, sagte die 81-jährige Schauspiellegende. Und bezog sich dann auf Trumps Kürzungen in den Bereichen Künste, Geisteswissenschaften und Bildung. „Kunst umarmt die Vielfalt“, so De Niro. „Und deshalb ist die Kunst eine Bedrohung. Deshalb sind wir eine Bedrohung für Autokraten und Faschisten.“

Man wartet nun auf Statements anderer Superstars – allen voran Taylor Swift und Billie Eilish. Unzweifelhaft sind solche Worte nicht ganz risikofrei. Eine Drohung, Gegner verhaften zu wollen, richtete der frisch gewählte Präsident im Dezember zunächst gegen die Kongress-Mitglieder, die den Capitol-Sturm vom 6. Januar 2021 untersuchten, mit dem der damals abgewählte Trump mutmaßlich seinen Verbleib im Amt hatte erreichen wollen.

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Die Trump-Administration registriert Kritik und beschimpft, beleidigt und bedroht Kritiker. Sie erscheint irrlichternd und gesteuert von negativen Gefühlen – Wut, Hass, Rachsucht. Der kanadische Musiker Neil Young, der seit den späten 60er-Jahren rockt, zu den Legenden der Populärmusik zählt und nie um Trump-Kritik verlegen war, befürchtete Anfang April Vergeltung durch Verfolgung oder Ausweisung.

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„Wenn ich in Europa musiziere und über Donald J. Trump spreche, kann es sein, dass ich zu denen gehöre, die nach Amerika zurückkehren wollen, aber ausgesperrt werden“, schrieb Young auf seiner Website, „oder die ins Gefängnis gesteckt werden, um auf einem Zementboden unter einer Aluminiumdecke zu schlafen.“ Young hatte 2020, nachdem er schon Jahrzehnte in Amerika gelebt hatte, die US-Staatsbürgerschaft angestrebt, um wählen zu können.

Springsteen, vielleicht der bedeutendste musikalische Chronist Amerikas, hatte sich bereits im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl Anfang Oktober 2024 in einem Video für die demokratische Kandidatin Kamala Harris ausgesprochen, und seine Parteinahme auch begründet. „Donald Trump ist der gefährlichste Kandidat für das Präsidentenamt, den ich je erlebt habe“, hatte er sich damals an seine „fellow Americans“ gewandt.

Steven Van Zandt, Gitarrist der E-Street-Band, im "Playboy"

Und gewarnt: „Seine (Trumps) Verachtung für die Unantastbarkeit unserer Verfassung, die Unantastbarkeit der Demokratie, die Unantastbarkeit der Rechtsstaatlichkeit und die Unantastbarkeit der friedlichen Machtübergabe sollten ihn für das Amt des Präsidenten disqualifizieren - nie wieder.“ Er stand damals in einer Linie mit den Harris-affinen Swift und Eilish.

Und diese Parteinahme hatte Konsequenzen. Auf X schlug Springsteen und seiner E-Street-Band der Zorn der MAGA-Szene entgegen. Seine Talente wurden ihm abgesprochen oder ins Lächerliche gezogen. Der Teil seiner Anhängerschaft, der Springsteen offenbar trotz seiner eindeutig liberalen und von Philanthropie getragenen Songtexte und der seit Jahrzehnten eindeutigen humanistischen Aussagen, auf der Trump-Seite verortet hatte, blieb den Konzerten fern.

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„Es ist offensichtlich, dass Bruce und ich nicht im Trump-Lager übernachten. In Amerika haben wir deshalb in den letzten Jahren die Hälfte unseres Publikums verloren“, sagte Steven Van Zandt, Gitarrist in der E-Street-Band, vor einigen Tagen in der deutschen Ausgabe des „Playboy“-Magazins. Die sogenannte Alte Welt sei anders, sagte Van Zandt. „In Europa sind wir heute zehnmal so groß wie in Amerika. Auf 60 Stadionkonzerte kommen zuhause sechs.“

Textzeile aus Bruce Springsteens Song "Rainmaker"

Und so war das ganze Konzert in Manchester eines des Protests und der Hoffnung. Den Opener „The Land of Hope and Dreams“ schloss Springsteen mit einem Schnipsel aus Curtis Mayfields affirmativem Gospel „People Get Ready“ ab. Die E-Street-Band spielte „Death To My Hometown“ über Unternehmen, welche mit ihrer Gier die Rezession der späten Nullerjahre befeuert hatten. Und „Rainmaker“ erzählte vom Umgang von Demagogen wie Trump mit der Wahrheit. „Der Regenmacher sagt, weiß sei schwarz und schwarz sei weiß, sagt, die Nacht sei der Tag und der Tag die Nacht.“

Von wirtschaftlichem Niedergang handelten „My Hometown“ und „Youngstown“. Und vor „My City of Ruins“, seinem New-York-Auferstehungssong nach den Anschlägen des 11. September 2001, wandte Springsteen sich dann ein weiteres Mal an sein Publikum.

Bruce Springsteen am 14. Mai beim Konzert in Manchester über den Umgang der Regierung Trump mit Andersdenkenden

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Sichtlich bewegt war der Sänger, setzte sich an den Bühnenrand, schüttelte den Kopf, als könne er selbst kaum glauben, was ihm gerade bezüglich seiner Heimat über die Lippen kam: „In Amerika verfolgen sie Menschen dafür, dass sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen, und ihre Ablehnung zum Ausdruck bringen. Das passiert gerade jetzt.“ Dann brach Springsteen fast die Stimme, als er auf Trumps Kappen weltweiter Hilfsprogramme verwies. „In Amerika finden die reichsten Männer Gefallen daran, die ärmsten Kinder der Welt Krankheit und Tod auszuliefern. Das passiert gerade jetzt.“

Bruce Springsteen kritisiert in Manchester die Außenpolitik der Trump-Administration

„Und in meinem Land haben sie ein sadistisches Vergnügen an dem Schmerz, den sie den loyalen amerikanischen Arbeitern zufügen. Sie setzen historische Bürgerrechtsgesetze außer Kraft, die zu einer gerechteren und moralischeren Gesellschaft geführt haben. Sie lassen unsere großen Verbündeten im Stich und stellen sich auf die Seite von Diktatoren gegen diejenigen, die für ihre Freiheit kämpfen. Sie streichen die Mittel für amerikanische Universitäten, die sich ihren ideologischen Forderungen nicht beugen. Sie entfernen Einwohner von den amerikanischen Straßen und deportieren sie ohne rechtsstaatliche Verfahren in ausländische Haftanstalten und Gefängnisse. Das alles geschieht … jetzt.“

Die Mehrheit der gewählten Vertreter habe es versäumt, das Volk „vor dem Missbrauch durch einen unfähigen Präsidenten und eine Schurkenregierung zu schützen“, nahm Springsteen die gesamte politische Kaste der USA in die Verantwortung. „Das Amerika, von dem ich Ihnen seit 50 Jahren vorschwärme, gibt es wirklich“, sagte der Sänger und zitierte den schwarzen US-Schriftsteller James Baldwin: „In dieser Welt gibt es nicht so viel Menschlichkeit, wie man sich wünschen würde, aber es gibt genug.“ Und schloss mit der Aufforderung „Lasst uns beten!“

Natürlich wurden in den Zugaben des ersten von zwei Manchester-Abenden die Springsteen-Klassiker ausgeworfen – E-Street-Party mit dem mächtigen „Born in The USA“, mit „Born To Run“, „Dancing in The Dark“ oder „Tenth Avenue Freeuze-Out“. Aber als letztes Stück des Abends wurde nicht etwa wie zuvor das altersmelancholische Abschiedslied „I’ll See You in My Dreams“ gereicht. Sondern – erstmals seit der „Amnesty International Human Rights Now!”-Tour von 1988 – Bob Dylans „Chimes of Freedom“ gespielt.

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Das Lied hatte der König des Protestsongs 1964 unter dem Eindruck der Ermordung von Präsident John F. Kennedy geschrieben. Das „Glockenspiel der Freiheit“ war Dylans Geläut für die Armen, Schwachen und Ausgegrenzten der Gesellschaft gewesen. Paul Williams, der 1966 das Rockmagazin „Crawdaddy!“ gründete und ausgewiesener Dylan-Kenner war, hatte den Song einst als „Dylans Bergpredigt“ bezeichnet.

Die auch in den von Neufaschisten bedrohten Demokratien Europas durchaus Anklang finden dürfte. Der dritte Europaflügel von Springsteens bislang dreijähriger Konzertreise um den Globus heißt denn auch nicht mehr schlicht „World Tour“, sondern firmiert seit diesem Mittwoch unter dem Titel „The Land of Hope and Dreams“-Tour – ein Synonym für das Vor-Trump-Amerika, das es nun zu retten und zu bewahren gilt. Statt auszuwandern und es im Stich zu lassen. Und natürlich ein Bild für die Demokratie schlechthin.

An deren Erhalt auch Neil Young ungeachtet seiner Befürchtungen arbeitet. Auf der „Fighting Oligarchy: Where We Go From Here“-Tour von Bernie Sanders, Senator der Demokratischen Partei, stand er am 12. April in Los Angeles zusammen mit den Songwriterinnen Joan Baez und Maggie Rogers auf der Bühne. Gemeinsam sangen sie sein „(Keep On) Rockin’ in the Free World“.

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Und am 26. April hatte Youngs Anti-Musk-Song „Let‘s Roll Again“ im Greek Theatre von L. A. Premiere. Auch hier Klartext: „Wenn du ein Faschist bist“, sang der 79-Jährige, „hol‘ dir einen Tesla.“ Sollen sie ihn doch verhaften.

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